Kreistagswahl Bautzen 2024: Wer steht hinter dem Bündnis Oberlausitz?

Bei der Kommunalwahl 2024 tritt im Landkreis Bautzen erstmals das Bündnis Oberlausitz/Freie Sachsen an. Ein weiterer Beleg für die enge Verflechtung der Montagsproteste mit der rechtsextremen Szene.

Ihre Symbole und Fahnen sind montags auf dem Kornmarkt schon lange präsent. Nun machen die rechtsextremen Freien Sachsen und die Organisatoren der Bautzener Montagsmahnwache auch offiziell gemeinsame Sache. Zur Kreistagswahl am 9. Juni 2024 treten sie im Landkreis Bautzen mit einer gemeinsamen Liste an.

Seit Ende 2023 hatten die beiden Hauptorganisatoren der Mahnwache, Eckhard Schumann und Veit Gähler, intensiv für das Projekt geworben. Mit Erfolg: 39 Kandidaten stehen auf der Liste des Bündnisses Oberlausitz/Freie Sachsen, mehr als bei den Grünen (34), den Linken (18) oder der FDP (17).

Der verharmlosende Name Bündnis Oberlausitz kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, wer sich da zusammengefunden hat. Auf der Liste stehen unter anderem bekannte Rechtsextremisten, Verschwörungsideologen und die Köpfe der hiesigen Reichsbürgerszene.

Dass sich die Bautzener Demo-Organisatoren mit den als rechtsextremistisch eingestuften Freien Sachsen zusammengeschlossen haben, ist laut dem sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) übliche Praxis. Demnach seien die Akteure der Freien Sachsen sachsenweit gut vernetzt, wobei sie auch mit regionalen Bürgerbewegungen zusammenarbeiten. Die Freien Sachsen seien laut eigener Aussage „zur Zusammenarbeit mit jedermann bereit, sobald man auch ,nur in einem Punkt‘ übereinstimme.“

Montagsprotestler in Bautzen kooperieren mit Freien Sachsen

Martin Kohlmann, Vorsitzender der Freien Sachsen hat mehrfach bei den Montagsprotesten in Bautzen gesprochen und in seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt auch schon Organisator Eckhard Schumann vor Gericht vertreten. Die Kontakte untereinander sind also seit Längerem eng.

Eckhard Schumann und Veit Gähler sind zwei der 39 Kandidaten für den Kreistag. Sie organisieren seit Februar 2021 als „Mahnwache Bautzen“ die Versammlungen. Diese finden seitdem vor allem immer montagabends in der Bautzener Innenstadt, meist auf dem Kornmarkt, statt.

Zu Beginn und bis zum Ende der Pandemie richtete sich der Protest vor allem gegen die Corona-Maßnahmen. Die Hauptthemen wechselten dann zur Energie- und Russlandpolitik der Bundesregierung. Häufig vermischt mit Verschwörungstheorien, etwa über einen angeblich drohenden Zusammenbruch der Energieversorgung oder vorgebliche Massenenteignungen. Anfang 2024 schlossen sich für einige Woche auch Handwerker, Landwirte und Spediteure dem Protest an. In ihren aktuellen Aufrufen für die Versammlungen in Bautzen fordern die Organisatoren den Rücktritt der Bundesregierung und „die Aufarbeitung durch ein Volksgericht“.

„Mahnwache Bautzen“ begrüßt Beteiligung von Rechtsextremen

Die „Mahnwache Bautzen“ und deren Organisatoren werden vom Verfassungsschutz derzeit nicht als extremistisch eingestuft. Hauptredner der Veranstaltungen am Montag sind jedoch Landes- und Lokalpolitiker der in Sachsen als rechtsextremistisch eingestuften AfD. Wie Freie Sachsen-Chef Kohlmann warben auch sie dafür, für eine der beiden Listen bei der Kreistagswahl abzustimmen. Eine Zusammenarbeit oder gar eine gemeinsame Fraktion im künftigen Kreistag wäre bei einem Einzug beider Listen somit sehr wahrscheinlich.

Zudem sprechen bei den Montagsprotesten Angehörige der Querdenker- und Reichsbürger-Szene, etwa die beiden Hauptorganisatoren. Am 12. Februar 2024 gab Eckhard Schumann zudem offen zu, was seit Längerem offensichtlich war: „Und wenn sich Rechtsextreme uns anschließen, dann ist das doch eine gute Sache.“

Vertreter der rechtsextremen Gruppe „Balaclava Graphics“ tritt zur Kreistagswahl an
Zu diesen gehört etwa Benjamin Moses, der ebenfalls für die gemeinsame Liste bei der Kreistagswahl antritt. Er ist Teil der Gruppe „Balaclava Graphics“ und ist deren mutmaßlicher Kopf, trägt und vertreibt Kleidung mit der Aufschrift „The White Race“, also die weiße Rasse.

Vom Verfassungsschutz wird die Gruppe als rechtsextremistisch eingestuft, sie war vorher unter dem Namen „StreamBZ“ aktiv. Auf ihren Online-Plattformen mobilisiert die Gruppe demnach für Versammlungen in Bautzen, aber auch für den sogenannten „Trauermarsch“ von Neonazis in Dresden, der jährlich am 13. Februar stattfindet. Das war auch 2024 der Fall.

Zudem bietet „Balaclava Graphics“ laut dem LfV „überregional die grafische Gestaltung von Werbe-Flyern und Covern an.“ Genutzt werden sie etwa von rechtsextremistischen Bands oder dem sogenannten „Jugendblock“ in Bautzen, der sich mehrfach an den Protesten der „Mahnwache Bautzen“ beteiligt hat. Das LfV ordnet den „Jugendblock“ als Beobachtungsobjekt der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene ein.

Bündnis Oberlausitz würde mit jedem zusammenarbeiten

Wie Moses steht auch Philipp Hartel in seinem Wahlkreis auf Listenplatz 1. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur ist 1990 geboren und Vorsitzender des Bündnisses Oberlausitz. Er spricht regelmäßig bei den Protesten der „Mahnwache Bautzen“ und warb bei den Teilnehmern um Unterstützungsunterschriften für die Zulassung zur Kreistagswahl.

Das Bündnis sei bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten. Brandmauern werde es nicht geben. Corona spielt nach wie vor eine zentrale Rolle. „Die Aufklärung und Aufarbeitung der rechtswidrigen Corona-Maßnahmen ist eine Verpflichtung für jeden verantwortlichen Politiker sowohl auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene“, heißt es in einer Mitteilung zur Kreistagswahl. Die Kandidaten verstünden sich demnach als Vertreter der Menschen, die von der etablierten Politik nicht gehört werden.

Kopf der Querdenken-Demos in Dresden tritt bei Kreistagswahl Bautzen an
Das dürfte nach seinem Selbstverständnis auch auf Kandidat Marc Sturm aus Bautzen zutreffen, der sich seit Jahren an den Protesten der Mahnwache beteiligt, sei es als Redner und Verbreiter klassischer Verschwörungserzählungen oder Stimmungsmacher mit Megafon.

Im Dezember 2023 wurde er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und argumentierte dagegen mit aus der Reichsbürgerszene bekannten Meinungen. Bereits früher wurde Sturm wegen des Gebrauchs falscher Gesundheitszeugnisse und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in den Corona-Jahren sowie wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt.

Anfang 2023 rief er auf Telegram dazu auf, einen Gerichtsvollzieher bei dessen Arbeit zu behindern. Im Oktober 2022 kündigte er im Namen eines angeblichen Unternehmerbündnisses aus der Oberlausitz an, Gaslieferungen aus Russland direkt und günstig vom russischen Staatskonzern Gazprom beziehen zu können. Doch Recherchen von Sächsische.de zeigten, dass diese Aussagen sehr unrealistisch waren.

Damit ist Marc Sturm in bester Gesellschaft. Denn auch Marcus Fuchs aus Arnsdorf tritt für die Kreistagswahl auf der Liste Bündnis Oberlausitz/Freie Sachsen an. Der Wirtschaftsinformatiker und frühere Kreiselternsprecher war bis zur Corona-Pandemie kaum öffentlich aufgefallen, hat sich seitdem als Kopf der Querdenken-Demos in Dresden etabliert.

Vor Kurzem wurde Fuchs zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er auf einer Demo russische Propaganda über den Krieg in der Ukraine verbreitet und damit den öffentlichen Frieden durch Billigung eines Angriffskrieges gestört habe.